Zur Risikobewältigung in multiplen Krisen

Aufkommende Risiken, potenzielle Wirtschaftskonflikte und Überlegungen zu einer „Deglobalisierung“, der Klimawandel und seine Folgeerscheinungen.

Eine FMVÖ-Veranstaltung widmete sich der Frage, welche Herausforderungen sich aktuell und in Zukunft angesichts eines veränderten Risikoumfeld stellen.

Pandemie und Krieg, Energiekrise und Teuerung – eine Phase paralleler oder sich zumindest überlappender „multipler Krisen“. Aber sind das überhaupt „alle“ Risiken – oder gibt es nicht auch noch andere, die wir derzeit noch gar nicht richtig im Blickfeld haben?

Das waren spannende Fragen bei einer Podiumsdiskussion des Finanz-Marketing Verbandes (FMVÖ).

Risikolage

Auf kurze Sicht stehen Aspekte wie die Entwicklung der Lebenshaltungskosten oder auch Cyberrisiken an prominenten Stellen. Das macht sich etwa auch in der Cyberversicherung bemerkbar, wo die Preise „in die Höhe schießen“, weil die vorhandene Kapazität nicht mit der Nachfrage Schritt hält.

Preissteigerungen schlagen beispielsweise auch in der Kfz-Versicherung durch. Die Margen für den Versicherer haben sich dadurch aber nicht vergrößert, vielmehr hinkt dieser den Preissteigerungen bei den Reparaturkosten hinterher – zumal der Kfz-Betrieb sofort bezahlt werden will, die Prämie aber erst im Nachhinein nachzieht.

Mittelfristig stehen vor allem Risiken im Bereich Nachhaltigkeit und Klimawandel im Vordergrund.

Es wird erwartet, dass sich für Unternehmen Risiken in vielfältiger Weise manifestieren werden. Ein Beispiel: die Lieferkettenproblematik. Die letzten Jahre sind „vielleicht nur ein Vorgeschmack“ dessen gewesen, was noch kommt.

Auslandsverflechtung

Helmut Bernkopf, Mitglied des Vorstands der Oesterreichischen Kontrollbank AG (OeKB), erinnerte an den hohen Grad der Auslandsverflechtung der österreichischen Wirtschaft. Was global und in Europa geschieht, hat deshalb Auswirkungen auf die heimische Exportwirtschaft.

Tatsächlich scheint sich Letztere auch unter widrigen Umständen gut geschlagen zu haben: Anders als man vor einiger Zeit womöglich vermuten hätte können ist die Exportwirtschaft 2022 deutlich gewachsen.

Nichtsdestoweniger ist sie mit Hürden konfrontiert. Erstens: Arbeitskräftemangel, sowohl im produzierenden als auch im Dienstleistungssektor. Zweitens: Unsicherheit bei Energiepreisen. Und drittens: Lieferkettenproblematik.

Inflation

Gabriel Felbermayr, Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), versuchte, die Sorgenfalten hinsichtlich der Inflation etwas zu glätten.

Er präsentierte eine Wifo-Prognose, in der die Inflationskurve 2023 fällt und im Lauf des Jahres 2024 die Drei-Prozent-Marke erreicht.

Zudem stehen der Teuerung Erhöhungen bei Gehältern, Pensionen und Sozialleistungen gegenüber, es gibt also auch „Sicherungen“, die dem Preisanstieg entgegenwirken.

Renditen

Martin Schulz, Global Chief Economist bei Fujitsu und aus Tokio zugeschaltet, merkte an: Wichtig ist die Einsicht, dass es in den nächsten zehn Jahren wohl kein deutliches Wachstum bei den Renditen geben wird.

Dies werde Versicherern und Pensionsfonds „Effizienz“ abverlangen, auch könnten Anbieter ihre Produktpolitik diesen Bedingungen anpassen.

„Deglobalisierung“?

Ist angesichts der Bildung einer multipolaren Welt, mit Spannungen und Konflikten zwischen großen Akteuren, eine gewisse „Rückentwicklung“ der Globalisierung zu erwarten? Es gebe zwar Tendenzen, manches „zurückzuholen“, wo Versorgungsprobleme verortet worden seien, sagte Bernkopf.

Die Conclusio der Überlegungen ist am Ende aber immer, dass für eine kleine, offene Volkswirtschaft Freihandel „viel wichtiger“ sei. Ein „Zurückziehen und Zäune-Bauen“ würde letztlich zu Wachstumseinbußen und Standortnachteilen führen.

Wirtschaftskonflikte

In einer Welt, die arbeitsteilig organisiert ist, können Risiken schlagend und Abhängigkeiten zu Waffen werden, sagte Felbermayr. „Das hat mit Vertrauen zu tun.“ Fehle dieses aber, so könne man keinen Freihandel treiben.

Ist Europa für eine möglicherweise stärker von Wirtschaftskonflikten geprägte Ära gewappnet? „Wir sind nicht gut aufgestellt“, meint Felbermayr.

Während etwa die USA eine strenge Exportkontrolle haben – Stichwort Technologietransfer nach China –, fehlt der EU als Gesamtheit Vergleichbares. Sich nicht für mögliche Wirtschaftskriege zu rüsten, ist aus Felbermayrs Sicht aber keine Option.