Wie beeinflusst die Zinswende unser tägliches Leben?
Die Zinsentwicklung betrifft uns alle – vor allem unser Geldbörserl.
Staaten und Unternehmen zählten sowohl in der Eurozone als auch in Österreich zu den Gewinnern der Niedrig- und Negativzinsen, während Banken und Haushalte Verluste hinnehmen mussten. Nun könnte kapitalschwachen Unternehmen aber bald die Luft ausgehen. Eine Analyse.
Nach der jüngsten Zinsanhebung durch die Europäische Zentralbank Anfang Februar liegt der Leitzins in der Eurozone nun bei 3 %. In fünf Sitzungen hintereinander haben die Notenbanker damit seit Juli 2022 Zinsschritte gesetzt.
Noch sind die Auswirkungen dieser Zinswende auf die Wirtschaft kaum spürbar, heißt es in einer aktuellen Analyse der heimischen Kreditversicherer Acredia und Allianz Trade.
Die Durchschnittszinsen steigen nur langsam, weil die Zinssteigerungen bis jetzt die Bestandszinsen nur wenig beeinflusst haben.
Im Euroraum sind im Privatkundengeschäft die Habenzinsen 2022 nur um vier Basispunkte gestiegen, Sollzinsen sind sogar um drei Basispunkte gesunken.
Die Gewinner der Niedrigzinsphase …
Zwischen 2008 und 2022 haben sich die Staaten der Eurozone durch die Negativzins-Politik 405 Milliarden Euro erspart, so die Studie. Allein die österreichische Regierung hat im Ausmaß von 7,9 Milliarden Euro profitiert.
Auch die Unternehmen zählten zu den Gewinnern der Niedrigzinsphase; sie konnten im selben Zeitraum kumuliert 1.424 Milliarden Euro Zinseinsparungen lukrieren. Heimische Unternehmen erwirtschafteten dabei ein Netto-Zinseinkommen von 35,1 Milliarden Euro.
Regierungen und Unternehmen haben sich damit gute Ausgangspositionen für die Zinswende geschaffen. Erste Auswirkungen des Zinsanstiegs für den Staatssektor sind nämlich bereits 2022 sichtbar geworden.
So sind die Netto-Zinszahlungen im Vorjahr in der Eurozone um 19,8 % auf 207 Milliarden Euro gestiegen; Grund dafür war neben dem Zinsanstieg für Staatsschulden um 20 Basispunkte aber auch der um 4,7 % höhere Schuldenstand.
… und die Verlierer
Negativ haben sich die niedrigen Zinsen allerdings auf den Finanzsektor ausgewirkt. Insbesondere Banken konnten nicht von den niedrigen Zinsen profitieren, ihr Netto-Zinseinkommen verschlechterte sich. Österreichische Banken verloren in diesem Zeitraum 2,8 Milliarden Euro.
Zu den Verlierern der Niedrig- und Negativzinsphase gehörten auch die heimischen Haushalte; zurückzuführen ist dies auf ihre Präferenz für liquide Investments sowie langfristige, fixverzinste Hypothekarkredite, was eine Weitergabe der niedrigeren Hypothekarzinsen verhindert hatte.
Vor allem Haushalte mit hohen Ersparnissen zählten zu den Verlierern; neben Österreichern zählen auch Verbraucher in Deutschland, Belgien und Italien dazu.
Insgesamt büßten österreichische Haushalte 32,5 Milliarden Euro ein.
Gefahren höherer Zinsen
Die Zeiten niedriger Zinsen haben einige überraschende Ergebnisse geliefert: Die kommenden Jahre der Normalisierung werden zunehmend von allen Marktteilnehmern gespürt werden und könnten ebenfalls unerwartete Gewinner und Verlierer hervorbringen.
Vor allem für schwach finanzierte Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad wird die Zinswende Folgen haben. Acredia-Vorständin Gudrun Meierschitz warnt, dass kapitalschwachen Unternehmen bald die Luft ausgehen könnte.
„Mit den steigenden Zinsen werden Schwachstellen in der Finanzierung offensichtlich“, so Meierschitz.
Die Wirtschaft wird jedenfalls einen langen Atem benötigen, denn noch ist beim Zinsanstieg keine Zielgerade in Sicht.