Was passiert mit Miete und Pacht?
Muss man während Corona weiter Miete zahlen? Muss man dann ausziehen, wenn man es nicht kann? Ein Thema das viele beschäftigt
Miete und Pacht in Zeiten von Corona – muss man weiter zahlen?
Aufgrund der derzeitigen Gegebenheiten treten bei Bestandnehmern und Bestandgebern gleichermaßen Fragen in Bezug auf Mietzinsminderung sowie den Begriffen „bestimmungsgemäßer“ und „beschränkter Gebrauch“ auf. Resultierend aus der Tatsache, dass es bisher kaum Anlässe gab, bei welchen die Gesellschaft in einem so hohen Maß wie derzeit aufgrund des sich rasant ausbreitenden Corona-Virus betroffen ist, findet sich wenig „gesicherte“ Rechtsprechung zu dem Thema und führt die Frage der Auslegung und Anwendbarkeit der §§ 1104 ABGB in Verbindung mit der „Anlassregelung“ der 96.VO-COVID19 und den behördlichen Maßnahmen nach dem COVID-19 Maßnahmengesetz zu Verunsicherung sowohl bei Bestandgeber als auch Bestandnehmer.
§ 1104 ABGB besagt, dass im Falle eines Nichtgebrauchs oder einer Nichtbenutzung der in Bestand genommenen Sache wegen außerordentlicher Zufälle, wie Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Misswachses, der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet ist, der Bestandnehmer aber auch keinen Miet- oder Pachtzins zu entrichten hat. §1105 ABGB regelt den verhältnismäßigen Erlass des Miet- und Pachtzinses bei trotz eines solchen Zufalls beschränktem Gebrauch bzw. Nutzbarkeit.
Sofern sich aufgrund der Abdingbarkeit der §§ 1104, 1005 ABGB keine abweichende Regelung („Katastrophenklausel“, wobei diese ziemlich genau auf den nun eingetretenen Sachverhalt passen müssen bzw. in Mustermietverträgen gemäß §879 Abs 3 ABGB auch unwirksam sein könnten) im jeweiligen Miet-/Pachtvertrag findet, ist folgende überwiegende Meinung zu beobachten:
Bei Mietverträgen zu Wohnzwecken sind aktuell keine Einschränkungen im Hinblick auf den vertraglich vereinbarten Gebrauch zu erwarten, weshalb selbstredend grundsätzlich keine Mietzinsminderung zusteht.
Ausgenommen könnten hier jedoch unter Umständen Einschränkungen bei der Benutzung von Gemeinschaftsanlagen sein, welche vorübergehend unbenutzbar sind (Sauna, Fitnessraum, sonstige Freizeiträume).
Bei Bestandverträgen zu betrieblichen Zwecken ist zu beachten: § 1104 ABGB führt aufgrund der Pandemie nur dann zu einem gänzlichen Zinserlass für jene Betriebe, für die gemäß §§ 1,3 der 96.VO-COVID19 ein Kundenverkehrsverbot besteht (Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zwecke des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben, Betriebsstätten von Betrieben des Gastgewerbes), unter der Voraussetzung, dass das Bestandsobjekt gar nicht bedungen gebraucht oder benutzt werden kann. Es darf sohin absolut kein Nutzen aus dem Objekt gezogen werden und keinerlei Tätigkeit erbracht werden (wie beispielsweise wohl im Falle eines gesperrten Friseursalons unseres Versicherungsnehmers, in welchem eine andere Nutzung als die bedungene Arbeit „am Kunden“ naturgemäß nicht möglich ist). §1104 ABGB gelangt daher auf Grund der Pandemie nicht automatisch zur Anwendung und führt nicht automatisch zu einem gänzlichen Zinserlass für sämtliche Betriebe im Sinne des § 1 bzw. 3 der 96.VO-COVID19.
Sofern eine eingeschränkte Nutzung möglich ist, etwa wenn eine Gaststätte zwar keinen direkten Kundenverkehr mehr hat, aber Speisen zubereitet und ausliefert, kommt nach § 1105 ABGB allenfalls nur eine Miet- bzw. Pachtzinsminderung in Betracht, die von den Umständen des Einzelfalls und unter Beachtung der bestehenden Judikatur abhängt.
Bei Pachtverträgen ist zu beachten, dass für diese §1105 ABGB nur anwendbar ist, wenn das Pachtverhältnis maximal ein Jahr andauert, was selten der Fall ist. Allerdings wäre zu prüfen, ob trotz Bezeichnung als „Pachtvertrag“ ein Mietvertrag vorliegt (z.B. werden Geschäftslokale in Einkaufszentren nur vorgeblich verpachtet, in Wahrheit aber vermietet).
Das Risiko, ob der Zinserlass oder die Minderung berechtigt ist, trägt in der Regel der Bestandnehmer und empfiehlt es sich im Zweifel für diesen, den Zins unter Vorbehalt der Rückforderung für den Fall des Nichtbestehens der Schuld (gemäß § § 1104, 1105 ABGB) zu bezahlen, um einer etwaigen Auflösung des Bestandsvertrags durch den Bestandnehmer aufgrund von Nichtbezahlung/ungerechtfertigter Minderung zu entgehen (§ 1118 ABGB, vgl OGH zu 3 Ob 123/08h).
Vorbehaltlose Stundungsvereinbarungen mit dem Vermieter könnten ebenso als Anerkenntnis des Bestandzinses der Höhe nach angesehen werden.
Strittig könnte bezüglich der Ansprüche gemäß §§ 1104, 1105 ABGB die Zurechnung zur jeweiligen Sphäre der Vertragspartner sein.
Überwiegend wird davon ausgegangen, dass die gänzliche oder teilweise Unbrauchbarkeit des Bestandsobjektes der „neutralen Sphäre“ zuzuordnen wäre und somit den Anspruch auf gänzliche oder teilweise Mietzinsreduktion rechtfertigt.
Vereinzelt werden jedoch auch Rechtsmeinungen vertreten, welche die Unbrauchbarkeit aufgrund der behördlichen Anordnungen der Sphäre des Mieters zurechnen, da die Art des Geschäftsbetriebes ausschlaggebend für die behördlich angeordnete Schließung gewesen wäre (da systemkritische Betriebe nicht von der Schließung betroffen waren).
Kündigungs- und Räumungsaufschub
Gemäß dem 4. COVID-19 Gesetz wurde für Wohnraummieten (keine Geschäftsraummieten!) folgendes normiert:
Ausschluss der Kündigung oder Aufhebung des Mietvertrages:
§1 hält fest, dass der Vermieter den Mietvertrag weder kündigen kann noch dessen Aufhebung nach § 1118 ABGB fordern kann, wenn
– der Mieter einer Wohnung eine Mietzinszahlung, die zwischen dem 01.04.2020 und 30.06.2020 fällig wird, nicht oder nicht vollständig bezahlt
– weil er als Folge der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist
Beide genannten Voraussetzungen müssen vorliegen. Ebenso muss dieser Mietzinsrückstand der einzige Kündigungs- oder Aufhebungsgrund sein.
Keine Mietzinsklagen bis Jahresende:
Der in §1 genannte Mietzinsrückstand kann bis zum 31.12.2020 nicht gerichtlich eingeklagt werden (durch eine Mietzinsklage). Ebensowenig darf der Rückstand mit einer Kaution abgedeckt werden.
Der in Verzug geratene Mieter zahlt höchsten die gesetzlichen Zinsen (4%) und keine Kosten für außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungskosten (z.B. Rechtsanwaltskosten, Inkassokosten).
Beides gilt für sämtliche Wohnungsmieten, also auch für solche, die nicht unter den Anwendungsbereich des MRG (Mietrechtsgesetz) fallen.
Aufschiebung der Räumungsexektion:
Wenn die Wohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters unentbehrlich ist, ist gemäß §6 eine Räumungsexekution (nach §349 EO) auf Antrag des Mieters aufzuschieben (Ausnahme: schwere persönliche oder wirtschaftliche Nachteile des Vermieters).
Das Räumungsverfahren ist spätestens sechs Monate nach Bewilligung der Aufschiebung fortzusetzen (bzw. in Ausnahmefällen früher, z.B. bei Wegfall des dringenden Wohnbedürfnisses).
Ein Kostenersatz zwischen den Parteien ist ausgeschlossen.
Dieser Räumungsaufschub ist nicht an eine durch die COVID-19 Pandemie verursachte Notlage geknüpft (gilt somit für alle Räumungsverfahren).
Kurzfristige Verlängerung befristeter Wohnungsmietverträge:
Ein befristeter Wohnungsmietvertrag, der
– Nach dem 30.03.2020 und vor dem 01.07.2020 abläuft
– Und dem Mietrechtsgesetz unterliegt (zumindest im Teilanwendungsbereich)
kann abweichend von §29 MRG schriftlich bis zum 31.12.2010 oder für einen kürzeren Zeitraum verlängert werden. Danach kann der Mietvertrag vertraglich verlängert oder auflöst werden. Erfolgt keines davon, gilt §29 Abs. 3 lit. b MRG (kurz: der Mietvertrag gilt als einmalig auf drei Jahre erneuert, wobei der Mieter jederzeit den erneuerten Mietvertrag zum Monatsletzten unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist kündigen kann).