Nachbarschaftsstreit: Was muss Rechtsschutzversicherer zahlen?

Der Kläger forderte Rechtsschutz für zwei Prozesse, die sein Nachbar gegen ihn angestrengt hatte. In beiden Fällen war es um unerwünschte Eingriffe in den Besitz des Nachbarn durch ihn gegangen. Die entscheidende Frage sei, ob die Handlungen des Klägers in Ausübung eines versicherten dinglichen Rechts standen; um das zu klären, wurde das Verfahren an das Erstgericht zurück verwiesen.

Kläger und Zweitklägerin, ein Ehepaar und gemeinsam Eigentümer eines Grundstücks, waren in zwei Fällen vom Besitzer eines angrenzenden Grundstücks geklagt worden. In beiden ging es dabei um unerwünschte Eingriffe in dessen Besitz.

Einerseits sollen sie oder Dritte mit ihrem Wissen an der Grundstücksgrenze Aufschüttungen mit ungeeignetem Material (unter anderem Asphalt- und Ziegelbrocken) hinterlassen und diese auch auf Aufforderung nicht entfernt haben. Zweitens hätten sie auf seinem Grundstück wiederholt unerlaubt geackert.

Ersterer Klage wurde stattgegeben, letztere ruht einvernehmlich. Für Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit seiner Eigenschaft als Eigentümer besaß der Kläger eine Rechtsschutzversicherung, von der er die Deckung der Verfahren verlangte.

Standpunkte der Parteien

Im ersten Verfahren seien sie als dinglich Servitutsberechtigte auf dem entlang der Grenze verlaufenden Fahrweg in Anspruch genommen worden, wobei ihr Fahrrecht nicht in Streit gezogen wurde, so die Kläger

Im zweiten Streit sei es um Bewirtschaftungshandlungen gegangen, Gegenstand des Verfahrens sei ein Eingriff der Kläger als Eigentümer der unmittelbaren Nachbargrundstücke in das Eigentum des Nachbarn gewesen.

Der Versicherer lehnte die Deckung ab, da kein direkter Zusammenhang zwischen den Handlungen der Versicherten und ihrer Eigenschaft als Eigentümer des Grundstücks oder einer dinglichen Berechtigung bestehe.

Berufungsgericht gab Klägern Recht

So auch das Erstgericht: Jeder könne Aufschüttungen anfertigen oder ein Feld beackern, man müsse kein angrenzendes Grundstück dafür besitzen.

Das Berufungsgericht dagegen gab der Klage statt. Zweck der Rechtsschutzversicherung sei, Deckung für Rechtsstreite im Zusammenhang mit dem versicherten Grundstück zu decken; dazu würden auch Streitigkeiten über den Grenzbereich oder über Dienstbarkeiten zählen.

Andernfalls wäre der Versicherungsschutz in einer Weise eingeschränkt, die ein verständiger Versicherungsnehmer nicht erwarten könne.

Dingliche Rechte

Via berechtigter Revision wurde die Auslegung der Vertragsbedingungen an den Obersten Gerichtshof herangetragen. Traditionell, so dieser, decken Rechtsschutzversicherungen Teilbereiche ab, hier beispielsweise alles, was mit der Eigenschaft des Versicherten als Grundeigentümer zu tun hat.

Es bestehe objektbezogener Rechtsschutz, Objekt sei das Grundstück des Versicherungsnehmers, gedeckt werden auch Ansprüche „aus dinglichen Rechten“. Dabei müsse es um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem unmittelbaren, also dinglichen, Recht an der Sache gehen.

Versicherungsschutz bestehe damit für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen aus dem Eigentumsrecht an dem versicherten Objekt sowie allenfalls damit verbundener Dienstbarkeiten. Dies umfasse zwar auch die Geltendmachung und Abwehr nachbarrechtlicher Ansprüche, nicht aber sämtliche Streitigkeiten unter Nachbarn.

Rückverweis an das Erstgericht

Den Versicherungsfall müsste der Versicherungsnehmer beweisen. Dafür hätte er schon in den beiden ursprünglichen Haftpflichtprozessen schlüssig vorbringen müssen, die vorgeworfenen Handlungen seien in Ausübung versicherten dinglichen Rechts geschehen.

Der bloße Umstand, dass die Kläger Eigentümer ihrer Liegenschaft sind und ein – noch dazu nicht verbüchertes – Fahrrecht haben, genüge dafür nicht. Dies könne aber nicht zu einer sofortigen Klagsabweisung führen, da die Kläger nicht mit einer Rechtsansicht überrascht werden dürfen, auf die sie nicht vom Gericht hingewiesen worden sind.

Es sei den Klägern daher Gelegenheit zu geben, ihr bisher unschlüssiges Begehren zu präzisieren. Der OGH verwies den Prozess an das Erstgericht zurück, warnte aber die Kläger vor geringen Erfolgsaussichten. Die Haftpflichtklagen würden sich auf Störungen beziehen, die jedermann möglich sind.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob115/19s vom 28. August 2019 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.